Jürgen Wolff, meisterlich zuhause im Feld von Redundanz und Information, bringt zahllose Variationen seiner auf Algorithmen beruhenden Drachenvierecke in die Kunstdiskussion mit ein. Eine Wiederbelebung informationstheorretischer Erkenntnisse der Ästhetik exakter Mittel bietet sich an, umso mehr, wenn einzelne Ergebnisse überraschende Originalität auf sich ziehen.
Ganz im Stil der Bescheidenheit von Josef Albers´ Empfehlung von Aufwand und Ergebnis schafft Wolff mit Papier und schwarzer Linie die Verwandlung eines unvollständigen Drachenvierecks in ein umgearbeitetes, das seine Redundanz soweit preis gibt, indem es an den beiden Winkeln größter Breite doppelte Materialität einsetzt. Das heißt, eine der beiden Dreiecksflächen des Drachenvierecks verdeckt eine gleich große schwarze Fläche, wobei die lange Mittelachse zum Scharnier wird, so dass die weiße Oberfläche umgelegt werden kann zugunsten der verborgenen schwarzen Dreiecksfläche. Der gleiche Vorgang wird ermöglicht beim zweiten Winkel durch einen spielerischen Eingriff in das algorithmisch redundante Drachenviereck. Wolff macht damit auch auf einen Grundsatz seiner Ästhetik aufmerksam, nämlich auf die Bewegungen „zu“ und „auf“. Anders gesagt: Ästhetik im Verein mit Spielwitz lässt Redundanz vergessen. Mit einfachsten Mitteln meldet sich konstruktive geometrische Kunst in der Kunstdiskussion zurück.
©Eugen Gomringer (Okt. 2020)